40+ und im Internet. Na und?

 

Du bist 40+ und im Internet. - Na, und?

Die gute Nachricht gleich vorweg: Als nicht ‚Digital Native’ -  also als jemand, der nicht von Geburt an mit und in der digitalen Welt aufgewachsen ist – kannst du dich trotzdem wacker im Internet schlagen! Online-Plattformen zielgerichtet und erfolgreich nutzen ist keine Raketenwissenschaft!

Diesen Artikel will ich schon lange schreiben. In den letzten Jahren beobachtete ich, dass in Stellenausschreibungen für Online-Jobs oft das Wort ‚Digital Native’ vorkommt (‚Du bist Digital Native ...’). Dabei fühlte ich mich als ‚Digital Immigrant’ ausgegrenzt. Auch wenn ich vor 1980 geboren wurde, kann ich inhaltlich genauso sattelfest sein und wissen, was ich online wie zu tun habe. Dass Unternehmen bestimmte Positionen aus strategischer Sicht gerne an junge Menschen und Jobeinsteiger vergeben, verstehe ich. Trotzdem findet hier ein voreiliges Aussieben statt, das rein inhaltlich nicht notwendig ist.

Als ich mich intensiv mit Online Marketing zu beschäftigen begann, nahm ich mehr junge Gesichter als ältere in diesem Bereich wahr. Auch aus diesem Grund fühlte ich mich zunächst wie ein Außenseiter.

Aber bald erkannt ich: Nur weil keine Berührungsängste mit verschiedenen Endgeräten da sind und blind durch Oberflächen navigiert wird, heißt das nicht, dass auch inhaltlich gearbeitet werden kann. Ich kenne jüngere Semester, die in anderen beruflichen Bereichen als ‚Online’ arbeiten und für die Online-Plattformen, Abläufe und Tools das große unbekannte Etwas sind.

Was Hänschen nicht lernt, muss halt der Hans lernen (wenn er will)!

Ich höre immer wieder von Leuten in ihren Enddreißigern oder älter, ‚Diese ganze Online-Welt ist mir komplett fremd’! Es schwingt mit, ‚ich bin schon zu alt, habe es als junger Mensch nicht gelernt, und daher kann ich es jetzt nicht mehr lernen’. Das sehe ich nicht so! Ich finde viel mehr, es ist eine Frage des Wollens. Und der Bereitschaft, Energie zu investieren. Sonst gar nichts.

Frau die ihren Kopf auf Bücherberg legt

Sich im Internet zu behaupten, damit zu arbeiten und es für sein Berufsfeld zu instrumentalisieren ist wie mit vielem: Der Anfang ist schwer. Meine Hypothese: Als Erwachsene sind wir es nicht mehr gewohnt, auf einem Gebiet als unbeleckte Neulinge zu beginnen. Was für Kinder und junge Menschen selbstverständlich ist, ist es für ältere Semester nicht. Kinder, Jugendliche, Menschen in ihren 20igern und in Ausbildung genießen die Nachsicht, das Verständnis und die Geduld ihrer Umwelt, Erziehenden und Lehrer. Später, nach einigen Berufsjahren, sind wir es nicht mehr gewohnt, die Rolle des Neulings einzunehmen und irgendwo von vorne zu beginnen.

Als Erwachsener mussT Du alles im Griff haben!

Stimmt's?;) Als Erwachsene denken wir, wir müssen schon alles können. Wir gestehen uns ungern ein, etwas nicht zu können. Es ist unbequem, wir fühlen uns hilflos und vielleicht auch peinlich berührt. Wir waren jahrelang auf einem Gebiet tätig sind, haben uns dort kontinuierlich weitergebildet, uns Expertise aufgebaut und Know-How erlangt. Es ist ungewohnt das aufzubrechen.

Woher ist das weiß? Zum einen begann ich selbst vor drei Jahren damit, intensiv im Internet tätig zu sein: einen Blog aufbauen, Email- und Content Marketing zu betreiben, meine Website zu erstellen und vieles mehr. Es gab unheimlich viel zu lernen und es war (und ist) zeitaufwändig. Eine gute Voraussetzung dafür war, dass mich das Tätigkeitsgebiet interessiert und mir Spaß macht. Zugeflogen ist es mir nicht. Wie niemanden auf dieser Welt.

'Sobald jemand in einer Sache Meister geworden ist, sollte er in einer neuen Sache Schüler werden.' (Gerhart Hauptmann)

Das trifft auf die Offline-Welt genauso zu! Das erfuhr ich vor zweieinhalb Jahren, als ich mit dem Reiten begann. Ich musste mir ein paar Mal zeigen lassen, wie man das Zaumzeug richtig anlegt, das Pferd sattelt, das Pferd putzt, welche Vorbereitungen und Abläufe vor und nach dem Reiten zu tun sind und so weiter ... Ich bin ein sportlicher und geschickter Mensch; werden mir neue und ungewohnte Handgriffe abverlangt, kann's ein bißchen dauern. Als ich vor einigen Jahre versuchte, mein Lifeball-Kleid - unter Anleitung - selbst zu nähen oder Hip-Hop-Workshops beim Impulstanzfestival belegte, erging es mir genau so. Vor destruktiven Gedanken bewahrte mich das oben genannte Gerhart-Hauptmann-Zitat! Der Ehrgeiz und das Vergleichen waren weg und ich konnte mich auf den Spaß an der Sache konzentrieren.

Erinnerst du dich, wie es früher war, wenn du etwas neu gelernt hast? Vielleicht den Führerschein als 18-Jährige? Zuerst dachtest du dir, du wirst nie automatisch den Gang einlegen, Kuppeln oder Bremsen ohne aktiv mitzudenken. Und plötzlich liefen die Vorgänge doch automatisch ab. Jetzt musst du nachdenken, wenn du jemanden die Abläufe erklären sollst ...

Kind mit Tablet, das am Boden liegt und Füße in die Luft streckt

Kleinkinder wischen heutzutage in ihren Kinderbüchern, weil sie das von Mama's iPad so gewohnt sind

Viele Tätigkeiten verlagern sich ins Internet. Tatsache. Und ja, junge Menschen (die sogenannte 'Generation Z') wachsen in der digitalen Welt auf, haben weniger Berührungsängste und einen unverkrampften Zugang. Das heißt jedoch nicht, dass sie Online-Kanäle inhaltlich sinnvoll bedienen oder strategisch nutzen können. Denn auch das will gelernt sein.

Rede dir also niemals ein, du bist zu alt für’s Internet! Willst du damit arbeiten, geht es darum, dir Zeit zu nehmen und dich damit zu beschäftigen. Energieaufwand ist notwendig, und es gibt viel zu lernen. Das hat jedoch nichts mit deinem Alter oder deinem Geburtsjahrgang zu tun! Meine Mutter hat eine lockerere Herangehensweise an neue Technik als ich. Warum? Weil sie sich immer schon dafür interessiert hat und technischen und technologischen Fortschritt einfach liebt ...

Vielleicht akzeptieren es junge Menschen leichter, irgendwo von vorne zu beginnen. Ich finde, wir sollten immer und bis ins hohe Alter weiterlernen. Das ist kein Zeichen von Unvermögen, sondern von Neugierde und Lebensfreude. Es hält jung und bereichert das Leben.