Websites und die 'Marke Ich': Interview mit Claudia Germer

 

Websites und die 'Marke Ich': Interview mit Claudia Germer

Interview-Reihe Folge 2: Im Online-Bereich tätige Selbständige beantworten meine Fragen rund um Websites. Mit meinen Interviewpartnern blicke ich jeweils aus ihrer fachlichen Perspektive auf Websites für Klein- und Einzelunternehmerinnen - diesmal aus der Sicht einer Grafikdesignerin und CI-Expertin:

Claudia Germer ist Expertin für visuelle Kommunikation. Als Grafikdesignerin und Online Art Director in internationalen Agenturen betreute sie ein Jahrzehnt lang Kunden wie L'Oréal und Microsoft. Sie hilft Coaches dabei, mit authentischem Marketing neue Wunschkunden zu erreichen.

Visuelle Kommunikation auf Websites

1. Wieso ist visuelle Kommunikation wichtig?

Gerade in gesättigten Märkten mit vielen anderen Anbietern ist visuelle Kommunikation ein starkes Positionierungs-Tool. Machen wir uns nichts vor: Wer als Unternehmer auf seiner Homepage auf den ersten Blick einen professionellen Eindruck hinterlässt, gewinnt leichter neue Kunden und wird als Experte wahrgenommen. Visuelle Kommunikation ist so kraftvoll, weil sie nicht bewusst wahrgenommen wird.

Wer dagegen mit einem Logo aus dem Kramladen daherkommt, selbstgeknipste Fotos verwendet und noch kein durchdachtes Erscheinungsbild als Experte hat, wirkt „selbstgebastelt“. Und wird nicht ernsthaft als kompetenter Ansprechpartner in Erwägung gezogen. Ausnahme: Es gibt keinen Wettbewerb oder die selbstgebastelte Anmutung ist ein bewusst eingesetztes Stilmittel.

Unsere emotionalen Entscheidungen werden stark durch die visuelle Kommunikation beeinflusst. Und wir treffen unsere Kaufentscheidungen vorwiegend emotional - und nur selten rational.

Sogar bei hochpreisigen Produkten sind unsere Kaufentscheidungen irrational. Porschefahrer zB kaufen kein schnelles Auto, weil sie damit schnell von A nach B kommen. Sondern sie kaufen ein Image, ein gutes Gefühl. Nach der emotional getroffenen Kaufentscheidung suchen sie sich rationale Argumente, die begründen sollen, warum ihre irrationale Entscheidung richtig war.

Ähnlich unlogisch handeln wir auch beim Kauf von Dienstleistungen. Auch für Coaches, Problemlöser und Experten gilt:  Deine Interessenten sollten sich richtig gut bei dir aufgehoben fühlen und dir 100% vertrauen, damit ihr ins Geschäft kommt. Dafür brauchst du visuelle Kommunikation.

2. Was ist ‚die Marke Ich’ - ein authentisches Erscheinungsbild - für dich?

Mir war früher nicht klar, dass ich auch als Einzelunternehmerin selber zu einer Marke werden kann und welche Kraft darin steckt. Nach einer Weile habe ich auch erkannt, dass ich gar nicht krampfhaft nach Nischen suchen muss, um dem ständig wachsenden Wettbewerbsdruck zu entkommen. Eine klare Positionierung ist da schon eher entscheidend. Sei mutig und leg dich auf eine Zielgruppe fest, deren Situation du kennst und deren Probleme du besser beschreiben kannst als sie selber.

Versuche nichts darzustellen, was du gar nicht bist. Sondern mach dich wirklich authentisch, ehrlich und glaubhaft sichtbar. Menschen haben eine sensible Antenne für Ehrlichkeit. Alles andere fliegt früher oder später sowieso auf. Bist du auch mal über Anzeigen bei Facebook gestolpert, in denen sich ein Abiturient mit einem Anzug „verkleidet“ und so tut, als wäre er allwissend und ein alter Hase in seinem Business? Das wirkt unglaubwürdig und ist genau das, was nicht funktioniert.

Die „Marke ich“ ist die Basis für jeden erfolgreichen Einzelunternehmer. Du brauchst dafür vor allem Mut, ein solides Marketing-Fundament und eine klare Kommunikationsstrategie, um als Marke und damit als kompetenter Experte sichtbar zu werden.

Auch Einzelunternehmer sollten sich überlegen, wie sie die eigene Identität glaubwürdig nach außen sichtbar machen. Und sich für das Corporate Design der eigenen Marke einen Profi ins Boot holen. Das ist entgegen weitläufiger Ansichten kein Luxus, sondern unverzichtbar für die Wahrnehmung als Experte. Dazu gehören ein professionelles Logo als Wort- oder Wort-Bild-Marke, das passende Schriftbild, eine definierte Bildsprache, ausgewählte Farben. Die Gesamtwirkung der einzelnen Elemente sollte natürlich auch stimmig und kongruent sein – auf allen Kanälen.

Es reicht nicht aus, kompetent zu sein und nur zu sagen, was man Tolles kann. Emotional muss das Gesagte auch im Kopf und im Herzen ankommen. Dafür ist ein professionelles Erscheinungsbild nun mal unverzichtbar.

Eine gute Marke entsteht immer von innen nach außen. – Nicht umgekehrt. Das Corporate Design der ‚Marke Ich’ darf in keinem Fall übergestülpt werden. Und ein Logo macht natürlich noch lange keine Marke aus einem Unternehmer.

Das ist bei einem Einzelunternehmer nichts anderes als bei einem Weltkonzern. Ein gutes Corporate Design wirkt übrigens auch nach Innen und stärkt das Selbstwertgefühl. Diese kraftvolle Wirkung solltest du auch als Einzelunternehmer nicht unterschätzen. Wer eine selbstgemachte Visitenkarte weitergibt oder auf eine laienhafte Homepage verweist (und sich für das schlechte Erscheinungsbild entschuldigt) wird niemals als Experte wahrgenommen.

3. Was ist für dich das Wichtigste bei einer Website für Einzel- und kleine Unternehmen?

Einzelunternehmer und kleine Unternehmen sollten auf ihrer Website klar kommunizieren, wofür sie stehen. Und zwar so, dass jeder Wunschkunde den Nutzen ihrer Leistungen auf Anhieb versteht. Die Website muss natürlich ein professionelles Erscheinungsbild haben, das sich positiv von Wettbewerbern unterscheidet. Form und Inhalt sollten kongruent und authentisch sein.

4. Wie muss eine Website sein, damit sie ein authentisches Erscheinungsbild optimal unterstützt?

Eine Website sollte die Identität glaubwürdig und klar wiederspiegeln.

5. Worauf muss man deiner Meinung nach beim Aufsetzen einer Website achten? Hast du 3 Tipps für uns?

Eine Website zu erstellen, die Kunden liefert ist sehr viel anspruchsvoller als man denkt. Planst du eine professionelle Website für dein Business, startest du zum Beispiel so:

1. Habe Mut, deine Zielgruppe spitz festzulegen. Gehe dabei in die Tiefe und nicht in die Breite: Wähle eine Zielgruppe aus, die du gut kennst, deren Wünsche, Probleme und Bedürfnisse du verstehst und für die du eine Lösung hast. Viele Coaches und Problemlöser machen den Fehler, dass sie möglichst viele Menschen erreichen wollen. Sie legen ihre Zielgruppe aus diesem Grund nicht klar genug fest. Das sorgt für eine nahezu endlose Fehlerkette, die das Marketing unterwandert. Eine klar definierte Zielgruppe gehört deshalb zum Marketing Fundament wie das Amen in der Kirche.

2.  Denke schon vor dem Aufsetzen deiner Homepage an Google, damit du möglichst viel Traffic auf deine Website bekommst. Es ist schließlich kein Zufall ob deine Homepage von Google gefunden wird oder im Nirwana des Internets für immer verschwindet. Dafür muss man allerdings so einiges an Hirnschmalz investieren.

Mein Tipp: Betrachte dafür deine Website aus der Perspektive deiner Wunschkunden. Versetze dich in deinen Wunschkunden hinein und überlege mit welchen Begriffen er möglicherweise nach deinen Leistungen im Internet suchen könnte. Nutze dafür zum Beispiel das kostenlose W-Fragen Tool.com oder probiere es mal mit keyword.io/ um relevante Keywords zu finden. Es versteht sich von selbst dass du dafür deinen Wunschkunden schon gut kennen solltest.

3. Hol dir einen Profi, wenn deine Website neue Kunden bringen soll. Legt gemeinsam die Struktur der neuen Website fest und schaut mit Weitblick auf dein Online Marketing. Ein Profi zeigt dir den Weg durch den Online Marketing-Dschungel und wählt mit dir die Erfolgsbausteine für deine Website aus, die dir weiterhelfen. Schließlich soll die neue Homepage was für deine Kunden Akquise tun.

4. Ein professionelles Corporate Design solltest du auch schon vorher festzurren, das macht sich nicht so nebenbei. Wenigstens die wichtigsten Elemente solltest du in einem kleinen Styleguide definieren: Farben, Schriften, Bildsprache und Logo. Damit du auch im Internet unverwechselbar wirst.

Uups, das waren jetzt vier Tipps;)

6. Was sind für dich ‚No-Gos auf einer Websites?

Webseiten, die am Smartphone nur durch ständiges Herein- und Heraus-Zoomen betrachtet werden können - das geht gar nicht. Die Mühe macht sich keiner. Solche Webseiten sollten für Responsive Design überarbeitet werden, damit sie auch mobil gut erreichbar sind.

Schlecht lesbare Schriften gehören auch zu den ‚No-Gos einer Website, ebenso wie versteckte Kontaktformulare oder eine unauffindbare Navigation. – Alles schon oft genug gesehen. In solchen Fällen will man wohl auf keinen Fall neue Kunden gewinnen. ;-)

Ein liebloses Design, phrasenhafte Text und austauschbare Stockfotos, die nicht für das Web herunter gerechnet sind, vergraulen die Besucher einer Website. Wer auf so einer Webseite landet ist schnell wieder weg.

7. Gibst du uns einen Ausblick auf Entwicklungen und Trends?

Kurzfristige Trends würde ich immer mit Vorsicht betrachten. Man braucht nicht auf jeden Zug aufspringen und nichts ist schneller veraltet, als ein hipper Trend von heute.

Künstliche Intelligenz (KI) wird online immer mehr an Bedeutung gewinnen. Ich bin gespannt, was da für Möglichkeiten auf uns zu kommen, damit Webseiten noch einfacher und bequemer zugänglich werden.

Storytelling ist und bleibt auch für Einzelunternehmer eine wirkungsvolle Kommunikationsform. Die „Geschichten“ lassen sich visuell wunderbar unterstützen durch effektvolle Parallax-Effekte, die ich auch hin und wieder sehr gerne einsetze. Sie sind nicht wirklich neu, wirken aber nach wie vor smart auf den Betrachter: Bei Parallax-Effekten verschieben sich die einzelnen Ebenen mit Texten, Bildern und Flächen und erzeugen so einen ansprechenden und bewegten Eindruck.

Hier sind ein paar schöne Beispiele für Parallaxe Effekte: coach-aufwaerts.de und culturalsolutions.co.uk.

 8. Du setzt Websites mit Wordpress um - Was findest du bei Wordpress gut?

  • Ich mag die große Auswahl an tollen Designvorlagen

  • Meine Wordpress-Website wächst mit meinem Erfolg mit. Ich konnte klein starten und fahre nach und nach die Geschütze für mein Marketing auf.

  • Mir ist es wichtig, unabhängig von anderen zu sein und keine Einschränkungen in Sachen Form und Funktion zu haben.

  • Es gibt unzählig viele tolle Plugins und es kommen ständig neue hinzu. So habe ich immer die Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten und wähle mir das jeweils Beste aus.

  • Die Suchmaschinen-Optimierung habe ich selber gut im Griff und spare so das Geld für einen teuren SEO Experten.

  • Da Wordpress weltweit einen Marktanteil von 60 % hat (Stand April 2018), gehe ich davon aus, dass es das noch lange gibt.

  • Die Sicherheitsupdates von Wordpress erfolgen automatisch und schützen meine Websites vor Hackerangriffen. Das gibt mir Sicherheit.

  • Es gefällt mir, dass ich WP einfach und recht intuitiv bedienen kann.

  • Wenn ich mal Fragen habe, gibt es hervorragende Communities, die mir schnell weiterhelfen.

  • WP ist kostenlos und gleichzeitig hochwertig. Die Kombination gefällt mir.

9. Was findest du weniger gut bei Wordpress?

Naja, man muss selber dafür sorgen, dass alles läuft: Backups einrichten (die Backups selber laufen dann ja glücklicherweise automatisiert), die Aktualisierungen der Plugins hin und wieder anschubsen und sowas ... Find ich aber halb so schlimm. Habe ich die Wahl, wohne ich auch lieber im eigenen Haus mit eigenem Garten als in einer kleinen Mietwohnung. In der bestimmt der Vermieter, was gemacht werden darf und was nicht. Da bin ich doch lieber unabhängig, auch wenn ich dafür ein paar Aufgaben selber übernehmen muss.

Und man hat die Qual der Wahl: Es gibt unzählig viele Wordpress-Themes. Für jeden Zweck und Bedarf gibt es fast unzählig viele Möglichkeiten (was ja eigentlich sehr gut ist). Aber man braucht verschiedene Entscheidungskriterien, für die Auswahl des passenden Themes. Wenn man sich da nur auf das sichtbare Design verlässt, ist das natürlich etwas kurz gesprungen. Man kennt ein Theme erst wirklich gut, wenn man schon eine Weile damit arbeitet. Aus diesem Grund halte ich mich mit neuen Themes etwas zurück. Ich bevorzuge ein Theme, dass ich schon lange kenne. So brauche ich nicht lange suchen und kann es bei Bedarf recht zügig individualisieren.

Du darfst dich nicht verleiten lassen, zu viele Plugins zu nutzen: Verwendest du viele, macht das die Webseite unnötig langsam. Schau, welches Plugin du wirklich benötigst und worauf du verzichten kannst. Aber das ist eigentlich eher eine Frage der Selbstdisziplin. Aus diesem Grund sehe ich das nicht wirklich als Nachteil.

10.  Wieso setzt du auf Wordpress und nicht auf zB einen Web-Baukasten (die haben ja auch Vorteile ;-))?

Wordpress ist weltweit das beliebteste, am weitesten verbreitete Content Management System. Ich schätze die unzähligen Möglichkeiten, die Wordpress bietet und weiß, dass ich für jeden Bedarf eine professionelle Lösung bekomme. Außerdem ist Wordpress ein ausgereiftes Blog-System, mit dem ich leicht online neue Interessenten erreiche.

11.  Wirf bitte mal einen Blick auf die Templates: Wie schätzt du da Squarespace im Hinblick auf deine Schwerpunktthemen ein?

Die Templates von Squarespace wirken auf den ersten Blick sehr ansprechend gestaltet und aufgeräumt. Da ich selber nicht damit arbeite, kann ich allerdings nicht hinter die Kulissen der einzelnen Template schauen. Mein Eindruck ist also sehr oberflächlich.

12. Drei Beispiele für Websites von Einzel- und Kleinunternehmern, die du gut findest?

Ja, das sind alles Websites von Frauen. Ich würde aktuell gern die eines Mannes nennen, aber irgendwo ist immer ein fetter Wurm drin:)

Hazelwalker.com
Julia-lakemper.com
Melissaambrosini.com

Danke, Claudia, für das Gespräch!